KINDERGRÄBER

Während des Zweiten Weltkriegs (1939–1945) wurden durch das NS-Regime in den besetzten Ländern Europas Millionen Menschen zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt. Auch in den Landkreisen Altötting und Mühldorf waren tausende Frauen und Männer beschäftigt, vor allem in der Landwirtschaft und in den Rüstungswerken in Gendorf, Kraiburg und Aschau. Die Arbeit in den Werken war für die meist jungen Menschen, insbesondere für Frauen sehr anstrengend und gefährlich, die Unterbringung und Verpflegung hingegen unzureichend. Bis 1942 war es schwangeren Frauen erlaubt, ihre Kinder in der Heimat zur Welt zu bringen.

Auf Grund des Arbeitskräftemangels verfügte Reichsführer der SS Heinrich Himmler 1943, dass Frauen bei Schwangerschaften ihre Arbeitsplätze nicht verlassen durften. Deshalb wurden ab August 1943 in den Zwangsarbeiterlagern bei den Werken in Gendorf und Kraiburg provisorische Entbindungsstationen eingerichtet. Diese waren in Holzbaracken untergebracht, die den auch damals üblichen Mindeststandards an Ausstattung nicht entsprachen. Das heißt, es gab zu wenige medizinische und sanitäre Geräte und Anlagen. Die Räume waren nicht beheizt. Schon nach wenigen Tagen mussten die Mütter wieder an ihre Arbeitsstellen zurückkehren. Sie konnten sich um ihre Neugeborenen selbst nicht kümmern.

Sogenannte „Ausländerkinder-Pflegeheime“

Ab Sommer 1944 wurde in einer Baracke beim Werk Gendorf ein so genanntes „Ausländerkinder-Pflegeheim“ eingerichtet, wo nun auch die Geburten von Zwangsarbeiterinnen aus beiden Landkreisen durchgeführt wurden. Die Kinder in diesem Heim überlebten aufgrund mangelnder Ernährung, Pflege und Wärme zumeist nur wenige Tage und Wochen. Allein in Gendorf starben bis Kriegsende Anfang Mai 1945 160 Kinder (74 Kinder aus Polen, 48 aus der Ukraine, 18 aus Russland und 20 aus anderen Nationen). Im Geburtenbuch des zuständigen Standesamts Burgkirchen an der Alz wurden 200 Geburten eingetragen.

Auf dem Pfarrfriedhof in Burgkirchen an der Alz, wo 152 Kinder begraben wurden, befindet sich eine Gedenkstätte. In der Nähe des Standorts der Kinderheimbaracken in Gendorf erinnert seit 2019 eine Informationstafel und ein Gedenkstein an das Schicksal der Kinder. Nach der Schließung des Kinderheims am 2. Mai 1945 starben einige der Kinder an den Folgen der schlechten Behandlung und wurden auf verschiedenen Friedhöfen in der Umgebung verscharrt. Die genaue Zahl ist nicht bekannt. Weder die Verhöre durch die amerikanische Militärregierung 1945/1946 noch spätere Ermittlungen des Bayerischen Landeskriminalamtes 1961 konnten die Schulfrage klären. Die Verantwortlichen wurden nicht juristisch schuldig gesprochen, sondern nur moralisch mitschuldig.

Literatur:
Jungblut, Peter, „Tod in der Wiege. Gendorf 1939-45“, Altötting 1989.
Jungblut, Peter, „Kinderpflegestätte und Fremdarbeiterlager in Gendorf – auch ein Stück Heimatgeschichte“, in „Das Mühlrad“, Heft XXXIV, Mühldorf a. Inn 1992, S. 85-96.
Remmelberger, Alois, „Zwangsarbeit in der Landwirtschaft und die Errichtung der Ausländer-Pflegestätte in Burgkirchen a.d. Alz in der Zeit des Nationalsozialismus 1943/1945“, in: „Unser Waldkraiburg“, Heft 21, Waldkraiburg 2020, S. 35-52.
Raaber, Rafael, „Zwangsarbeiterinnen und ihre Kinder im Pulverwerk Kraiburg“, in: „Unser Waldkraiburg“, Heft 21, Waldkraiburg 2020, S. 53-80.